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Konzeptionelle Grundlagen
der Jugendwohngruppe Müller

A    Selbstverständnis

Die Jugendwohngruppe wurde 1982 von Günther und Bärbel Müller gegründet, die zusammen mit ihren drei Kindern 25 Jahre im gleichen Haus mit der Wohngruppe gelebt haben. Das Vorleben von gesunden familiären Strukturen, der respektvolle Umgang Miteinander und die Akzeptanz von unterschiedlichen Handlungsweisen und Einstellungen wurde durch die Übergabe im Jahre 2010 von den Gründern der Jugendwohngruppe auf ihre Tochter Anna-Lena Schaub (geb. Müller) erneuert und gestärkt.

Die pädagogische Haltung aus Fördern und Fordern, das Vertrauen in die sozialgerechte Entwicklung eines jungen Menschen wurde ab diesem Zeitpunkt durch Anna-Lena und Elmar Schaub geleitet, die mit ihren zwei Töchtern ebenfalls im gleichen Haus mit der Wohngruppe leben.

Stets unterstützt durch ein verlässliches und pädagogisch aufeinander abgestimmtes Mitarbeiterteam konnte über die Jahre den Anforderungen und Bedürfnissen der jungen Menschen mit Vertrauen, Respekt und Empathie begegnet werden, um gemeinschaftlich erarbeitete individuelle Ziele zu erreichen.

Das Aufwachsen und Zusammenleben mit Tieren steht seit Beginn der 80er Jahre bis heute inhaltlich für die Jugendwohngruppe Müller, die weitere Schwerpunkte in der Integration von und durch Sport und in der kreativen Arbeit hat.

Das Konzept der Jugendwohngruppe wurde durch die Gestaltung der pädagogischen Leitung im Jahr 2017 weiterentwickelt. Die pädagogische Leitung, Bindeglied zwischen Heimleitung und Mitarbeiterteam, lebt zusammen mit der Wohngruppe im gleichen Haus und führt die seit über 35 Jahren vorgelebten Traditionen und Werte der stationären Jugendhilfe fort.
 

B     Organigramm

Orni

C     Gesetzliche Grundlagen

Gesetzliche Grundlagen des Leistungsangebotes der privaten Trägerschaft:
- Hilfe zur Erziehung gem. § 27 in Ausgestaltung § 34 SGB VIII
  Heimerziehung/Wohngruppe
- Hilfe für junge Volljährige gem. § 41 in Ausgestaltung von §§   
  30,34 SGB VIII
- Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen gem. § 42
  SGB VIII

Die Jugendwohngruppe verfügt über eine 3er-WG in der Nähe der Wohngruppe, die einen vereinfachten Schritt aus der stationären Jugendhilfe in die Verselbständigung ermöglicht. In der WG befindet sich keine pädagogische Betreuung. Die jungen Volljährigen werden meistens über Fachleistungsstunden über einen mit dem Jugendamt vereinbarten Zeitraum nachbetreut.

Notwendige Ressourcen des jungen Menschen:
- Bereitschaft für das Zusammenleben in der
  Jugendwohngruppe Müller
- Grundsätzliche Schulfähigkeit
- Qualifizierungs- und Ausbildungsfähigkeit

Ausgeschlossen von einer Aufnahme sind junge Menschen mit…
- Alkohol-, Tabletten oder Drogenabhängigkeit
- Prostitutions-Tendenzen
- Starken körperlichen Behinderungen
- Geistigen Behinderungen
- Akuter Selbstgefährdung/starken selbstverletzenden
  Handlungen
- Akuten lebensverneinenden Tendenzen
- Eingliederungshilfen nach § 35a SGB VIII
 

D     Aufnahme nach § 34 und § 42

Eine Aufnahme kann ab dem 13. Lebensjahr erfolgen.
Voraussetzung für eine stationäre Aufnahme nach § 34 SGB VIII ist ein Vorstellungsgespräch in der Jugendwohngruppe unter Beteiligung des Allgemeinen Sozialen Dienstes des zuständigen Jugendamtes, der Eltern, der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen sowie einer Mitarbeiterin und der Heimleitung (oder pädagogischen Leitung).

Es erfolgt eine Vorstellung der Konzeption des Hauses mit Besichtigung der Einrichtung und Klärung der Möglichkeit einer Aufnahme unter Berücksichtigung des vorliegenden konzeptionellen Angebotes. Nach dem Aufnahmegespräch hat der junge Mensch drei Tage Zeit zu überlegen, ob es zu einer Aufnahme kommen soll. Erst nach einer verbindlichen Entscheidung für die Jugendwohngruppe Müller wird durch die Heimleitung und dem gesamten Mitarbeiterinnenteam entschieden, ob und wenn ja wann es zu einer Aufnahme des jungen Menschen kommen kann.

Nach dem Einzug in die Wohngruppe steht eine sechswöchige Probezeit, die dazu notwendig ist, dass sich der junge Mensch in seinem neuen Umfeld einlebt. In diesen sechs Wochen sind die Freizeitaktivitäten auf ein individuelles Minimum begrenzt und die Jugendliche oder junge Erwachsene hält sich neben schulischen Verpflichtungen meist in der Jugendwohngruppe auf. Nach der Probezeit sollte zeitnah ein Gespräch mit allen Beteiligten erfolgen, um die weitere Hilfeplanung zu besprechen oder ggf. die Hilfe wieder zu beenden.

Die Inobhutnahme nach § 42 als vorläufige und kurzfristige Unterbringung im Rahmen von Krisenintervention wird ebenfalls vom ASD des zuständigen Jugendamtes initiiert. Eine Aufnahme nach § 42 SGB VIII kann hierbei nach kurzer Abstimmung zwischen Jugendamt und Heimleitung schnell ermöglicht werden, wenn von Seiten des Jugendamtes der Bedarf gesehen wird und die Wohngruppe räumliche Kapazitäten hat.

Am Tag nach der Inobhutnahme muss ein intensiver Austausch zwischen allen Beteiligten erfolgen, um die weitere Planung zu besprechen und dem jungen Menschen die individuell erforderliche Unterstützung zu bieten.
 

E     Leitbild

Das inhaltliche pädagogische Ziel orientiert sich an den individuellen Gegebenheiten der jungen Menschen. Die Integration in die Wohngruppe, der Aufbau von Vertrauen und die Einhaltung einer Balance von Toleranz und Akzeptanz im Zusammenspiel mit Fordern und Grenzsetzung sind die Merkmale pädagogischen Handelns in der Jugendwohngruppe Müller.
Das Fördern und Stärken positiver Verhaltensweisen und Handlungen entwickelt die gewünschte Selbständigkeit und führt zu einer realistischen Selbsteinschätzung.

Dabei finden entwicklungspsychologische und gruppendynamische Gesichtspunkte ebenso
Berücksichtigung wie interkonfessionelle und humanitäre Aspekte im Umgang mit den weiblichen Jugendlichen. Das Stärken und Entwickeln der Fähigkeiten für das Erreichen einer realistischen Schul- und/oder Berufsausbildung und die Verselbständigung auf emotionaler und lebenspraktischer Ebene sind die zwei zentralen Bausteine der pädagogischen Arbeit mit den weiblichen Jugendlichen in der Wohngruppe.

Die stabile Personalsituation der Einrichtung bietet einen zuverlässigen Rahmen und gewährleistet eine Garantie für emotionale Sicherheit. Die ist nötig für eine alternative Orientierung zur jeweiligen Herkunftssituation der Jugendlichen. Weiterhin ist die Zuordnung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu den Bezugsbetreuerinnen eine
Orientierungshilfe und ermöglicht zusätzliche emotionale Sicherheit. Die Mitarbeiterinnen verstehen sich als Partner und Anwalt der Jugendlichen und geben Anleitung und Hilfe. In Gesprächen und in gemeinsamen Aktivitäten bauen die Mitarbeiterinnen einen Bezug zuden jungen Menschen auf.

Zum Leitbild der Wohngruppe gehört ebenfalls die Integration von und durch Sport. Das eigens für die Wohngruppe entwickelte Sportprogramm verhilft den Jugendlichen zu einer frühzeitigen stabilen Eingliederung in die bestehende Wohngruppe. Die regelmäßigen und vielfältigen Angebote helfen bei der Orientierung in der neuen Lebenssituation und bieten einen aktiven Zugang zu den bestehenden Strukturen in der Wohngruppe. Zusätzlich ermöglichen die sportlichen Aktivitäten unter sportwissenschaftlicher Aufsicht einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Körper, eine Stärkung des Selbstvertrauens und eine stabilere Gesundheit. Der aktiven Teilnahme am Sportprogramm wird eine Sport-Anamnese in Verbindung mit einem Fitness-Eingangs-Test vorgeschaltet, um die individuellen Leistungsniveaus beurteilen zu können.

Neben dem Sportprogramm steht den Bewohnerinnen unter Anleitung einer Kunst-und Musikstudentin das „Kreativ-Gym“ der Wohngruppe zur Verfügung. Regelmäßig werden hier künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten erprobt, entwickelt und gefördert.


F     Nachbetreuung

Eine realistische Verselbständigung zum individuell passenden Zeitpunkt der weiblichen Jugendlichen in eine eigene Wohnung stellt in den meisten Hilfen zur Erziehung das Hauptziel pädagogischen Handelns dar.

Nach dem Auszug aus der stationären Jugendhilfe können die weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen durch Mitarbeiterinnen der Jugendwohngruppe Müller nachbetreut werden. Grundlage bilden dabei die mit dem öffentlichen Träger vereinbarten Fachleistungsstunden.

Umfang und Dauer werden anhand der Maßgabe des zuständigen Jugendamts und der pädagogischen Einschätzung der jeweiligen Fachkräfte festgelegt.

Das Umsetzen der lebenspraktischen Fähigkeiten, die geförderte Entwicklung der Persönlichkeitsbildung und das eigenverantwortliche Handeln im eigenen Sozialraum wird nach dem Ende der stationären Hilfe beim Übergang in eine eigene Wohnung auf eine harte Probe gestellt.

Der unter Punkt C erwähnte Wechsel in die externe Wohngemeinschaft der Wohngruppe in Kombination mit den Fachleistungsstunden ermöglicht den jungen Erwachsenen einen weichen Übergang in die Selbständigkeit und bietet ihnen gute Voraussetzungen für ein eigenständiges und selbstverantwortliches Leben.


G     Netzwerk und Synergien

Um den vielfältigen Anforderungen und Bedürfnissen der stationären Jugendhilfe gerecht zu werden, ist es der Jugendwohngruppe Müller ein großes Anliegen, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen und Synergien zu erhalten und auszubauen.

Als Träger von Angeboten erzieherischer Hilfen im Landkreis Gießen ist die Jugendwohngruppe Müller vertreten in
- AG nach § 78 KJHG Hilfen zur Erziehung
- AG nach § 78 KJHG Hilfen zur Erziehung Untergruppe Heime
- Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienst (bpa)

Durch die umfassende Betreuung der weiblichen Bewohnerinnen besteht eine enge Zusammenarbeit mit den stationären Kinder-und Jugendpsychiatrien der Kliniken Gießen, Marburg und Herborn. Außerdem hat sich über die Jahre ein enges Netzwerk zu niedergelassenen Therapeuten im Landkreis Gießen entwickelt. Bis zu 10 Kinder-und Jugendtherapeuten, mit denen in den letzten Jahren zielgerichtet zusammengearbeitet wurde, können bei Bedarf an ambulanter Therapie kurzfristig angefragt werden.
Langjährige und zuverlässige Partner in der Arbeit mit den verschiedensten Anforderungen der Kinder- und Jugendhilfe bieten die etablierten und vertrauten Mitarbeiter/innen von
- Kinderschutzbund Gießen
- Wildwasser e.v.
- Pro Familia
die professionell und auf den jungen Menschen ausgerichtet, notwendige Unterstützung bieten.

Die Integration von und durch Sport wird nach den ersten sportlichen Aktivitäten in unserer Wohngruppe durch Kooperationen mit
- Sport-Point Gießen
- Fitnessgalerie Gießen
weitergeführt. Zunächst trainieren die weiblichen Jugendlichen zusammen mit Mitarbeitern/innen der Wohngruppe im Rahmen des Sportprogramms. Es ist das Ziel, dass die jungen Menschen selbständig und eigenverantwortlich in den kooperierenden Sportstudios trainieren können.


H     Leben in der Jugendwohngruppe Müller..

..familiäre, verlässliche Wohlfühloase mit sportlichen und kreativen
  Akzenten
..bedeutet, jeden Einzelnen mit seinen Unterschieden wahrzunehmen
  und zu akzeptieren. Lernen in einer Gruppe zu agieren und sich
  wieder dazugehörig zu fühlen.
..ist kein Wunschkonzert, aber manchmal spielt es dein Lieblingslied.
..ist wie das Leben in einer Familie.
..ist anstrengend.
..ist laut und aufregend.
..ist geregelt und diszipliniert.
Intern verstehen sich alle gut und hin und wieder kommt es zu Konflikten, aber das ist normal. Es ist nicht nur eine Unterkunft für Jugendliche sondern auch ein Lernprozess für ein geregeltes Leben.
..ist bunt, vielfältig und niemals langweilig. Es gibt viele schöne
  Momente, aber auch Tränen, Wut und Enttäuschungen. Hier gibt es
  viele Menschen unter einem Dach, die alle das Gleiche wollen, aber
  auf unterschiedlichen Wegen versuchen dorthin zu gelangen.
..bedeutet Leben und Zusammenhalt in einer Gemeinschaft.
..ist richtig toll.
..ist trubelig und harmonisch zugleich.
..heißt für jugendliche Mädchen sich individuell entwickeln zu können.
..soll zu eigenverantwortlichen Fähigkeiten, Eigeninitiative und
  Selbstorganisation motivieren und bietet Möglichkeiten, soziale
  Kompetenzen wie z.B. Verantwortungsbereitschaft, Kommunikations-
  und Konfliktfähigkeit und Selbstreflexion zu erwerben.

..habe ich mir anders vorgestellt.

..ist erstmal eine große Umstellung. Aber mit Hilfe und Unterstützung
  kann man es sich hier schön machen.

..ist für mich ein Übergang in ein eigenständiges Leben.

..ist meist im Rückblick viel schöner als es sich während des
  Zusammenlebens anfühlt.

(Jugendwohngruppe Müller im Mai 2017)

 


Jugendwohngruppe Müller
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